Traditionen

Leonhardi Ritt

Gestern, am 6. November 2012 sind wir noch zur Morgendämmerung nach Bad Tölz auf den Leonhardiritt gefahren. Es war ein wundervoller schöner und langer Tag. Volker hat wieder viele tolle Bilder gemacht :)

Jedoch bewegt mich seitdem etwas ungemein.

Fast alle Mädels auf den Wägen der Vereine trugen einen Fuchsschal.

Fotografie Volker Knerr

Bis auf einige wenige Wägen,

Fotografie Volker Knerr

aber trotzdem, es waren rund 80 Wägen mit am Start. Als ich meinen Mund aufmachte und sagte, dass ich das ganz schlimm finde, wurde mir gleich eine batzige Antwort entgegengeschmettert: “Mei, des is halt so! Des is Tradition! Den Stierkampf in Spanien kannst ja au ned verhindern”

Ach so? Na dann…??!

Ja, ich hab meinen Mund gehalten, aber ich war kurz davor mit allen rum zu diskutieren. Und glaubt mal, ich musst sehr sehr lang meinen Mund halten und mich dabei sehr beherrschen, um aus meinen Emotionen zu kommen.

Am Schluss hab ich es dann doch nicht mehr geschafft und hab noch mal damit angefangen. Woraufhin mir erklärt wurde, dass diese Schals schon seit Generationen vererbt werden….

Dennoch, sind wir nicht in einem Zeitalter, in dem man mit solchen Traditionen brechen sollte? Die kleinsten Kinder werden schon damit behangen. Wie sehr stumpft das ab? Das Bild eines toten Fuchses um den Hals, völlig verharmlost, gerechtfertigt durch Tradition? Und nur weil wir Bayern sind, gibt es uns das Recht? So wie den Spaniern der Stierkampf? Oder den Afghanen, die ihre Leute noch erhängen, oder gar den Texanern, die ihre Mitmenschen tot spritzen und brutzeln? Völlig normal, weil: das macht man ja schon immer? Und ja, für mich ist das das selbe! Mensch und Tier sind LEBEwesen…

Unsere Freunde machten sich Sorgen, dass wir das eine Schinderei für die Pferde empfinden, doch da muss ich sagen, dass ich die Freude und den Stolz der Tiere nur so sprühen spürte. Es ist eine extreme Anstrengung, ein Gewaltakt, die Wägen über das Kopfsteinpflaster den steilen Hang hoch

und dann noch durch die “halbe” Stadt zu ziehen.

Dennoch empfinden die meisten das als Ehre und schöne Aufgabe. Sie präsentieren ihre Kraft und Stärke, zeigen ihre Muskeln, tänzeln vor der Menge herum.

Die Geschirre sind in wundervoller alter und traditioneller Handarbeit hergestellt. Die Gebisse sind weiche Oliven, keine einzige gedrehte und verletzende Wassertrense habe ich gesehen. Auch das war doch lange Zeit Tradition!

Die “Maulkörbe” sind nur für die Hengste im Gespann, damit sie sich nicht gegenseitig beißen

und die Mama von meinem Pferd hab ich auch noch getroffen und natürlich ganz viel geschmust. Sie war ja bei uns auch schon eine Zeit lang mit auf der Weide gestanden und wurde später von unseren Nachbarn in gute Hände verkauft wurde.

Nun, der Tag ist vorbei, die Ereignisse und Emotionen klingen so langsam aus….

Jetzt würde mich aber schon trotzdem sehr interessieren, wie Ihr das seht und was Ihr über dieses Thema denkt. Haltet Euch nicht zurück und schreibt Eure Gedanken und Meinungen einfach unten mit dazu :)

 

 

4 Responses

  1. Erika Gerstbauer says:

    Hallo liebe Tanja!
    Also das mit der Tradition …..das sind halt immer langwierige Prozesse, die mehrere Generationen durchbrechen müssen. Ich finde totes Tier um den Hals auch nicht okay, würde es meinen Mädels auch nicht umhängen, aber ich denke, es ist wichtig, dass man schon drüber redet, sich Meinungen anhört, mit meinen Mädels würde ich das einfach besprechen, denn wenn ich ihnen meine Meinung vorgebe, dann ist es so wie mit der Tradition, die man nicht hinterfragt. Ich glaube, jeder hat da seine besonders sensiblen Themen……deren man friedvollen Ausdruck verleihen soll und darf. Gerade bei so “Übergängen” (weg von einer Tradition zu etwas anderem) bedarf es einer guten, sensiblen und vielleicht auch ein bisschen einer großzügigen Begleitung. Was ist richtig, was ist falsch …..da gibt es ja immer die Geschichte, die zwar nichts rechtfertigen darf, aber die eben mehr ist als “nur” das Ergebnis ……und grundsätzlich stimme ich dir da voll zu, dass totes Tier um den Hals einfach abstumpft. ……wir haben Redefreiheit – also bitte sinnvoll und vorbildlich nutzen ….vielleicht in Form der gewaltfreien Kommunikation (marshall Rosenberg)!
    Aber ich kann dich nur zu gut verstehen……so geht es einem halt, wenn die Emotionen so groß sind ;-) )
    Dir alles Liebe!
    Erika

  2. Sylvia says:

    Hallo. Ich war auch in Tölz und habe mir den Umzug angeschaut. Es gab zwei Seiten. Die eine Seite, es war wunderschön anzusehen, die Pferde hatten sichtlich Spass und sie waren wunderschön geschmückt. Die andere Seite, die meisten Pferde waren Stuten, wie man sehen konnte, auch tragende Stuten. Da kam mir wieder der Gedanke “Schlachtfohlen”?
    Ich bin desöfteren in Tölz und habe mich dann mit einigen Einheimischen darüber unterhalten. Die wußten nicht, dass es sowas gibt. Schlachtfohlen, von süddeutschen Kaltblütern, Norikern, Haflingern. Diese Pferde, die den Umzug in Tölz machen? Viele waren entsetzt und ich glaube schon, dass es “Wellen” geschlagen hat oder schlagen wird. Die Füchse habe ich selber auch gesehen und fand es schlimm, mit Kopf und Füßen sowas zu tragen. Aber, die Tiere werden tatsächlich von Kind zu Kind übergeben und sind einige Jährchen alt. Klar würde ich so einen Fuchs nicht tragen, aber, es ist Tradition und ich denke, die meisten Frauen denken genau so wie wir, müssen aber diesen Fuchs tragen. Genau so ist es Tradition, dass die Frauen keine Pferde reiten, sondern nur die Männer.
    Ich habe diesen Umzug in einer Art und Weise genossen, jedoch habe ich danach einiges erzählen können und mitteilen können, wie es den “heranwachsenden im Bauch befindlichen” Pferdekindern ergehen wird. Das macht mich traurig und deswegen unterstütze ich die Pferdefreunde Birnbaum.
    LG Sylvia

    • Tanja says:

      Hallo liebe Sylvia,
      danke für Deinen Beitrag hier und Mithilfe bei den Pferdefreunden!
      Ja, die wenigsten wissen, dass es für viele von den süßen, kleinen, niedlichen Fohlen oft keine Zukunft gibt… Viel zuviele Fohlen werden gezüchtet im Namen des Profits :(
      Schön, dass Du auch Birnbaum unterstützt, ich kann nur gutes über Frau Kleber berichten und wir waren selbst schon vor Ort um uns ein eigenes Bild zu machen!

      Die trächtigen Stuten auf den Ausritten sind mir auch bekannt. Aber die meisten Fohlen kommen ja erst Februar/Mai/April zur Welt. Zumindest bei uns im Gai (das heißt: Gebiet – für alle Nichtbayern hier :D ) und das ist ja noch a ganze Zeit hin… Dass es trotzdem nicht das gelbe vom Ei ist, wissen wir.
      Penny (die Mama von meinem Bub) ist auch schon wieder tragend und die von unserem Nachbarn auch. Hast Du schon mal mitbekommen, dass es auf Grund dessen schon mal Probleme gab?
      Hier wird den ganzen Winter über auf den tragenden Stuten geritten und Kutsche gefahren… Ich sollte mal die von unserem Nachbarn fragen, was sie dazu sagt ;)

      Traditionen: Wir Bayern haben ja einen “Lieblings”-Spruch: “Mei, des is halt so”. Den kann man jetzt so und so gebrauchen. Einerseits hilft er sehr, in die Ruhe zu kommen, Dinge hin zu nehmen und geschehen zu lassen :) Aber andererseits hilft er auch sehr, sich aus der Verantwortung zu stehlen! Uns so sehe ich das auch mit den Traditionen.

      Wenn wir immer alles als gegeben hin nehmen, dann verändert sich auch nichts. Stillstand. Damit wären wir dann einfach nur festgefahren.

      Ich gebe der Erika sehr recht, dass man alles in einer gewaltlosen Form lösen kann und auch soll, sonst geht mein Gegenüber in die Defensive oder blockiert. Und ich bewege nichts! So hab ich das an dem Tag ja auch praktiziert. Zuerst meinen Mund gehalten, dann aber als ich mich beruhigt hatte, dennoch die Menschen damit nochmals konfrontiert. Dass ich mich innerlich dennoch darüber aufregte, muss ich sehr wohl gestehen…

      Die Person, die das sagte, meinte das auch mit Sicherheit nicht böse und ist auch ein sonst, glaub ich, ein bewusster Mensch (wie ich in späteren Gesprächen den Eindruck gewinnen konnte), aber dennoch machen wir es uns oft mit diesen Aussagen einfach nur leicht, denken gar nicht mehr darüber nach.

      Wenn ich in einem Verein bin und mich das stört, habe ich immer die Möglichkeit zu entscheiden, ob ich das noch vertreten kann oder nicht. Ich kann nur mein Handeln in den Vordergrund stellen, ich kann nicht von anderen verlangen, dass sie das auch tun, aber vielleicht bewegt sich ja auch etwas bei den anderen, wenn etwas mal nicht mehr so läuft, oder jemand etwas hinterfragt und sich nicht verhält, so wie es die “Norm” verlangt.

      So, wie Du es ja auch an diesem Tag getan hast! :) Du hast die Menschen angesprochen und “aufgeweckt”, aufmerksam gemacht. Das hat bestimmt viel bewegt bei dem ein oder anderen :)

      Herzliche Grüße
      Tanja

  3. Jenny says:

    Wenn man nix sagt kann sich nix ändern…

    Nur wenn es ein vernünftig diskutiertes Thema wird kann man mit Argumenten überzeugen.

    Alles fordernde oder agressive verhärtet nur die Fronten.

    Diese Tradition ist über viele Generationen gewachsen die Füchse sind Teil der Identität der Zugehörigkeit einer Gruppe. Jede der Damen ist Stolz auf IHREN Fuchs…er symbolisiert so viel…

    Nun ist es natürlich ein leichtes diesen durch ein Imitat zu ersetzen.
    Die Damen müssen das aber von sich aus wollen….

    Grade in Bayern gibts durch die vielen gelebten Traditionen sicher die nicht unberechtigte Angst ein Aussenseiter zu sein…da es dort wohl besonders viele Nachteile mit sich bringt. Hier in der Stadt ist es mir egal ob der Nachbar rechts und drei andere auf der Strasse mich doof finden….die halten nicht so zusammen….

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